Einfach ... ist das mit knappsten Mitteln Erreichte ... Aber das mit knappsten Mitteln Erreichte kann nur aus der Fülle kommen.
Juan Ramon Jimenez
Der Begriff Trauma ist aus der Medizin entlehnt, er kommt aus dem Griechischen und bedeutet Wunde. In der Psychotherapie verstehen wir den Begriff Trauma als eine Verletzung der Integrität oder Unversehrtheit der Psyche oder der Seele.
In der Fachliteratur wird betont, dass nicht jede belastende oder bedrohliche Situation zu einer Traumafolgestörung führt. Es gibt zahlreiche Einflussfaktoren (Vorerlebnisse, vorhandene Bewältigungsstrategien, das soziale Umfeld, Resilienz) die darüber entscheiden, ob wir eine traumatische Situation verarbeiten und integrieren können – oder vielleicht sogar daran wachsen. Ob es als Bedrohung bewertet wird, ist ein subjektives Geschehen. Das Erleben von Hilflosigkeit, Ausgeliefert sein oder Ohnmacht sind entscheidende Faktoren dieser Bewertung. In der Fachliteratur werden Faktoren beschrieben, die den Schweregrad von Belastungen in vier Bereiche einteilen. Es wird unterschieden zwischen unerwarteten Ereignissen (etwa eine Naturkatastrophe) und durch Menschen verursachte Ereignisse. Dabei wirkt ein durch Menschen verursachtes Ereignis belastender. Die anderen beiden Kategorien ergeben sich durch die Dauer bzw. die Wiederholung eines traumatischen Ereignisses. Mit Zunahme der Dauer bzw. der Wiederholung erhöht sich die Belastung, wodurch die Wahrscheinlichkeit steigt, das Ereignis nicht integrieren oder verarbeiten zu können.
Die Auswirkungen eines unverarbeiteten Traumas haben viele Gesichter. Die bekannteste Form der Erkrankung ist die Posttraumatische Belastungsstörung. Es würde den Umfang des Artikels sprengen, hier auf alle Erkrankungen, die durch Traumata ausgelöst werden, einzugehen. Daher möchte ich drei Symptomgruppen näher beleuchten. Diese sind: Reinszenierung, Vermeidung und vegetative Störungen.
Reinszenierung beschreibt das wiederholte Wahrnehmen bzw. Erinnern der traumatischen Situation. Dadurch kommt es wie in einer realen Situation zu körperlichen Zuständen, welche im Abschnitt Stressreaktion beschrieben sind. Zu dem wiederholten Erleben des Traumas zählen etwa Nachhallerinnerungen oder Flashbacks. Das wiederholte Erleben kann sich auch in Form von Träumen oder Alpträumen zeigen. Eine durch einen Schlüsselreiz hervorgerufene meist schmerzhafte Erinnerung bezeichnen wir als Intrusion. Schlüsselreize oder Trigger sind Geräusche, Gerüche, auditive Wahrnehmungen, die an das Ereignis erinnern.
Hier sprechen wir von einem Mechanismus, der verhindern soll, dass der Schrecken in unser Bewusstsein dringt. Es kann sich auf einer rein physiologischen Ebene zeigen, durch eine Form des Betäubtseins bis hin zu Ausfalls- und Lähmungserscheinungen. Aber auch auf emotionaler oder psychischer Ebene - etwa eine emotionale Stumpfheit, Gleichgültigkeit anderen gegenüber bis hin zur Vermeidung von Situationen oder Aktivitäten die an das Trauma erinnern. In manchen Fällen kommt es auch zu Erscheinungen wie einer Depersonalisation (eine Art Selbstentfremdung, wobei wir uns nicht mehr als die Person wahrnehmen können, die wir sind) oder Dissoziation (eine Form der Abspaltung in Bereichen der Wahrnehmung, des Bewusstseins, der Identität oder der Motorik).
In manchen Fällen kommt es zur Übererregtheit mit Vigilanzsteigerung oder vermehrter Schreckhaftigkeit. Quälend sind Momente in denen die Umwelt ruhig wird und es Zeit und Raum gibt nachzudenken. In Momenten der Ruhe versucht unser Organismus Unverarbeitetes aufzuarbeiten, dadurch gelangen die belastenden Ereignisse wieder in unser Bewusstsein - oft ist dies aber zu belastend. Es entstehen Zustände wie Gedankenkreisen, die oft auch zu Schlafstörungen führen. Häufig sind Angst und Depression damit assoziiert, die in Suizidgedanken resultieren können. Andere Co-Morbiditäten (sekundäre Erkrankungen) sind Alkohol- oder Drogenabusus - ein Versuch die belastenden Erinnerungen abzuwehren.
Unser Organismus reagiert mit einem entwicklungsgeschichtlich alten Muster auf einen Reiz der als bedrohlich eingestuft wird. Diese Reaktion wird hauptsächlich in den Bereichen des limbischen Systems und des Hirnstamms gesteuert und ausgeführt. Es führt zu einer Kaskade an Vorgängen in unserem Körper (Veränderungen im hormonellen System, Erhöhung der Atem- und Herzfrequenz u.v.m.) die der Bereitstellung bzw. Erhöhung der vitalen Funktionen dient - Vorbereitung auf „Kampf oder Flucht“. Diese erste Reaktion wird als kontrollierte Stressreaktion definiert, sie bildet auch die Grundlage für die Erweiterung unserer Handlungskompetenzen – eine Form des Lernens.
Wir alle kennen diese körperlichen Zustände, wenn sich der Schrecken aus dem Bauch heraus in unserem Körper ausbreitet, unser Herz schneller zu schlagen beginnt, die Atemfrequenz sich erhöht oder uns der Atem stockt. All das ist eine natürliche Reaktion unseres Körpers, um möglichst viel Energie bereitstellen zu können. Wenn es uns gelingt die belastende Anforderung zu bewältigen, reguliert sich unser System sehr schnell wieder und unser Stoffwechsel beruhigt sich wieder. Dabei kann es sein, dass wir sogar noch etwas dazu gelernt haben und in einer ähnlichen Situation besser vorbereitet sind und unser System nicht mehr in dem Maße reagieren muss.
Wenn die Anforderung unsere Bewältigungsmechanismen übersteigt und der Stressauslöser aufrecht bleibt, vertieft sich die Stressreaktion. Wir sprechen dann von einer unkontrollierten Stressreaktion. Dabei werden Hormone und Botenstoffe ausgeschüttet, die noch tiefgreifendere Veränderungen in unserem Organismus bewirken. Meist ist das Gefühl des Ausgeliefertseins, der Ohnmacht oder Hilflosigkeit vertieft wahrnehmbar. Die unkontrollierte Stressreaktion ist ein sich selbst aufschaukelnder und aufrechterhaltender Ablauf in unserem Organismus. Das Stresshormon Kortisol ist in diesem Zusammenhang ein wichtiger Baustein. Es bewirkt die Bereitstellung der Energie für die vitalen Funktionen und reduziert die Funktion des Immunsystems (wir sprechen dann von einer Immunsuppression). Es sind Auswirkungen auf Zellkommunikation und Genexpression bekannt.
Die Stressreaktion ist ein entwicklungsgeschichtlich altes Muster. Bei einer subjektiv bewerteten Gefahr wird der Körper auf maximale Leistungsfähigkeit vorbereitet. Dies ist ein überlebenswichtiger Prozess. Wir unterscheiden zwischen kontrollierter und unkontrollierter Stressreaktion. Die kontrollierte Stressreaktion begegnet uns in vielen Alltagssituationen, wobei sich das System bei Bewältigung schnell wieder reguliert. Die unkontrollierte Stressreaktion hat weitreichende Auswirkungen auf unser emotionales, mentales Erleben und auf unsere physiologischen Funktionen. Eine Verarbeitung bzw. Integration ist infolge einer unkrontrollierten Stressreaktion wesentlich schwieriger, dies führt oft zu Traumafolgeerkrankungen.
In der Personzentrierten Therapie haben wir den Fokus selten auf den Störungstheorien. Wir beziehen uns vordergründig auf die Person, den Menschen, der zu uns in die Praxis kommt. Wir stellen einen Raum zur Verfügung der von Empathie, Authentizität und Wertschätzung geprägt ist. Dieser Raum bietet viel Schutz und Geborgenheit, um nach und nach die Tiefen der schrecklichen Ereignisse zu symbolisieren (zum Ausdruck zu bringen). Dabei ist es nicht in jedem Fall notwendig, über Details des traumatischen Ereignisses zu sprechen.
Zunächst wird an möglichen Ressourcen gearbeitet. Diese unterstützen den Menschen, mit den Erinnerungen oder Folgeerscheinungen zurecht zu kommen.
Die Personzentrierten Therapie bezieht das Wissen um neurobiologische und physiologische Vorgänge und daraus resultierende Traumafolgeerkrankungen ein. Die Integration von Psychoedukation ist ein wesentlicher Teil der Traumaarbeit. Dabei informieren wir über traumarelevante mentale und physische Vorgänge in unserem Organismus. Es hilft dem*der Betroffenen, die oft verstörenden Zustände zuordnen zu können und einen Umgang damit zu finden.
In der Personzentrierten Therapie wird mit sehr viel Feinfühligkeit und Achtsamkeit agiert, gerade um eventuelle Überforderungen – die Retraumatisierungen hervorrufen können – zu vermeiden.
In der Behandlung von Traumafolgen gilt es einen Umgang mit den „Narben des Traumas“ zu finden, die Unversehrtheit kann nicht wiederhergestellt werden. In einer vertrauensvollen, warmen und herzlichen Atmosphäre können die „Narben des Traumas“ nachgenährt und versorgt werden.
Luise Reddemann entwickelte den Ansatz der Psychodynamisch Imaginativen Traumatherapie.
In erster Linie wird hier der Wirkfaktor der Imagination nutzbar gemacht. Wenn eine Erinnerung die Stressreaktion auslösen kann, so die Annahmen, dann gelingt es auch mit der Kraft der Imagination die Verletzungen, die in unserer Seele geschehen sind, zu versorgen, den Stress zu reduzieren und Bedürfnisse, die wir damals in der schrecklichen Situation hatten nach zu nähren. Auch hier gilt es zunächst die Ressourcen zu stärken, Skills zu erlernen die den Menschen helfen, die Traumafolgen zu bewältigen.
Ich erlebe diesen Ansatz immer wieder als Geschenk und darf sehr oft Zeuge der Wirkmacht der Imagination werden.
Wie oben beschrieben sind die Vorgänge in unserem Organismus nicht auf die Psyche begrenzt. Im Gegenteil, sie manifestieren sich sehr oft und in vielen Facetten im Körper.
In meiner therapeutischen Praxis beziehe ich die Körperlichkeit und Körperübungen sowie kreative Prozesse ein. Damit wird ein ganzheitlicher Zugang geschaffen. Der Körper wird oft als der „Feind“ wahrgenommen, da er die Erinnerung an das traumatische Ereignis in sich trägt. Gerade regelmäßige Körperübungen können den Bezug zum eigenen Körper fördern und eine Erleichterung im Umgang mit den Traumafolgen bringen.